Wertevorstellungen und Lebensstile

In der jüngeren Sozialforschung (seit Ende der 1970er Jahre) hat sich die Analyse mit Hilfe von Lebensstilen daher etabliert. In den meisten Vorgehensweisen dominiert die Analyse der individuellen Wertevorstellungen, weil man festgestellt hat, dass es Zusammenhänge zwischen Wertevorstellungen, sozialer Lage und ästhetischen Ausdrucks- und Konsumformen im Alltag gibt.

Im Mittelpunkt steht die Beobachtung, dass  gesellschaftlicher Wandel und Wertewandel korrespondieren. Schon Karl Mannheim beschreibt 1928, dass Generationen bzw. Geburtskohorten dadurch geprägt sind, dass sie in gleicher Weise Wirklichkeit verarbeiten bzw. bezüglich der Strategien der Wirklichkeitsverarbeitung gemeinsame Wertekonfigurationen ausbilden: Von Pflicht- und Akzeptanzwerten (1950er Jahre: Mangelerfahrung der Nachkriegsgeneration) über materialistische und postmaterialistische Werte (1960er/1970er Jahre: wachsender Wohlstand der 68er Generation und Baby-Boomer) hin zu Werten der individuellen Selbstentfaltung und -bestimmung (seit 1980: Generation X und Generation Y). In der jüngsten Zeit stellen Sozialforscher die Hypothese auf, dass es Wertesynthesen gibt: Pflicht- und Akzeptanzwerte werden in der Postmoderne neu gedeutet und im individuellen Verhaltensrepertoire (Habitus) implementiert. Angesichts von Unübersichtlichkeiten und Unwägbarkeiten der letzten fünfzehn Jahre (Zusammenbruch der neuen Märkte Anfang 2000, Irak-Krise, Weltfinanzkrise, Klimakrise, Bildungskrise, Euro-Krise) scheint es demnach Strategien des so genannten Neu-Verankerns („Regrounding“) zu geben, vor allem in jüngeren Generationen. Darüber hinaus steht gegenwärtig zur Diskussion, ob die klassischen soziodemografischen Variablen angesichts des Auseinanderdriftens der sozialen Lagen nicht wieder an Relevanz für die soziale Ungleichheitsforschung gewinnen.

Seit den 1980er Jahren haben sich unterschiedliche Modelle entwickelt. In den Sozialwissenschaften ist das Modell der alltagsästhetischen Schemata von Gerhard Schulze (1992) wegweisend. Im Bereich der kommerziellen Sozial- und Marktforschung sticht das Sinus-Institut mit den so genannten Sinus-Milieus hervor. Vor allem die Sinus-Milieus basieren auf kohortenspezifische Wertedimensionen, die jeweils den gemeinsamen Nenner der einzelnen Milieus darstellen.

Bild: Fotografioso/flickr.de

Literaturquellen:

Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.), Soziale Milieus, Aus Politik und Zeitgeschichte 44-45 (2006), als pdf-Dokument abrufbar unter: http://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/29425/soziale-milieus (Zugriff: Dezember 2015).

Hurrelmann, K., Albrecht, E., Die heimlichen Revolutionäre: Wie die Generation Y unsere Welt verändert. Weinheim 2014.

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